NENA „OLDSCHOOL“ – LIVE 2017
plus Special Guest
Präsentiert von Donau 3 FM & Schwäbischer Zeitung
Sich mit der Vergangenheit aufzuhalten ist nicht NENAs Ding. „Gestern, das liegt mir nicht,“ singt sie schon 1984 in ihrem Song „Fragezeichen“ vom gleichnamigen Album.
Jetzt, 30 Jahre
später, nennt sie ihr neues Album ausgerechnet OLDSCHOOL. Und katapultiert sich
und die Hörer mit einer Punktlandung in die Gegenwart.
„Oldschool“, der
Titeltrack, ist auch der Opener des Albums und gleich eine klare Ansage. Mit
einem Augenzwinkern skandiert sie jetzt: „Mein erstes Album ist seit 34 Jahren
draußen, es ist so alt man kann’s nicht einmal mehr im Laden kaufen“. Dazu ein
fetter Electro-Beat, den man so von Nena noch nie gehört hat. Straight from the
80s, mitten ins Jetzt.
Den ungewohnten Beat
hat ihr ein neuer Partner in Crime zusammengeschraubt - kein geringerer als
Samy Deluxe hat NENAs neue Platte produziert. NENA, das Aushängeschild der
deutschen New-Wave-Szene, und Samy Deluxe, das Deutschrap-Wunderkind. Klingt ja
fast wie ausgedacht.
Aber so was denkt sich
keiner aus, schon gar nicht NENA. So was entsteht von alleine, oldschool eben.
Das wurde nicht gemacht, das ist gewachsen. Schicksal könnte man auch dazu
sagen, und wäre damit gleich bei einem altbekannten NENA-Thema, das auch auf
dieser Platte wieder eine Rolle spielt.
„Wenn die Zeit reif
ist für ein neues Album, dann lasse ich mich voll und ganz drauf ein. Ich
überlege nie vorher, in welche Richtung es gehen soll, ich mach einfach,“ sagt
NENA über ihre Art zu arbeiten. Herz ist hier das Stichwort. So war es eben
auch mit Samy Deluxe.
2012, ein paar Tage
nachdem NENA und Samy irgendwie, irgendwo, irgendwann gemeinsam auf einer Bühne
gestanden hatten, rief Samy an und sagte, er habe ein paar Songideen. „Ich
wusste in der Sekunde, dass das nur was Gutes sein kann,“ beschreibt NENA den
Startschuss für das neue Album. Wenig später waren beide zusammen im Studio.
NENA geht immer weiter - dahin, wo es weiter geht.
Samy Deluxe: „Es ist
ja nicht nur so, dass Nena oldschool ist ... NENA ist oldschool und immer noch
voll relevant. Sie kann alles verkörpern, von Punkrock bis zu den schönsten
Balladen und bleibt dabei immer authentisch.“
Auch die Art der
Zusammenarbeit war dabei ganz jetzt. „Heute Computer, damals analoge
Handarbeit,“ wie es in „Oldschool“ heißt. Handarbeit ist es natürlich auch
heute noch, bloß muss man nicht unbedingt die ganze Zeit im selben Raum sein,
um gemeinsam Neues schaffen zu können. Das wäre auch schwierig geworden, denn
wenn NENA morgens um 6 aufsteht, um mit ihren Hunden in den Wald zu gehen, geht
Samy oft gerade erst ins Bett. „Schichtarbeit auf Herzebene“ nennt NENA diesen
Prozess.
Dass Musikmachen für
NENA eine Herzensangelegenheit ist, ist eh klar. NENA ist dabei selbst so sehr
Musikfan, dass sie darüber vergisst, was für eine Legende sie selber ist. Als
Blondie im Sommer 2014 im Berliner Tempodrom spielten, wollte NENA das auf
keinen Fall verpassen. Über gemeinsame Bekannte war sie plötzlich mit der
ganzen Band zum Essen verabredet - in so einem Moment ist auch eine NENA
aufgeregt wie ein kleines Kind. Und dann kapierte Debbie Harry, wer da mit am
Tisch saß: „Wow, you‘re Nena!“ rief die New Yorker Punk-Legende aus und
bestätigte, was wir eigentlich längst schon alle wissen. NENA ist keine
Geschmacksfrage, NENA ist ein großes Stück deutsche Popkultur.
Der rote Faden, der
sich durch das Album zieht, ist Zeit. Wie steht NENA in der Zeit, wie kann man
loslassen und im selben Moment umarmen. Das Lied „Bruder“ erzählt von ihrem
verstorbenen Sohn Christopher und davon, dass der Tod zum Leben gehört. „Alles
was mich fordert und lenkt, wurde mir vom Himmel geschenkt“.
Auch die basslastige
Pop-Hymne „Genau jetzt“ handelt vom Umgang mit der Zeit, genauer davon, stets
im Moment zu sein. „Vielleicht ist es zu früh, vielleicht ist es zu spät,
vielleicht ist es genau jetzt,“ denn „was morgen kommt, weiß keiner“.
Dass sie trotz all dem
Im-Moment-Sein ihre Wurzeln nicht vergisst, zeigte sich in der ersten Single
zum Album. „Lieder von früher“ lautet der Titel, in dem NENA erzählt, was mit
ihr passiert, wenn sie die alten Platten aus dem Schrank holt „Tanz im Licht
vom Strobo, quer durch unsere Wohnung, mach das Haus zur Disco, jeder Song ein
Ohrwurm“ heißt es darin, und es macht einfach Spaß, sie dazu mit der Gitarre um
den Hals auf der Bühne rumspringen zu sehen. Wie zum Beispiel im Frühjahr 2015
auf ihrer knackigen und jetzt schon legendären Clubtour durch frühere
Stationen. Der Mojo-Club in Hamburg war u.a. dabei, das Berliner SO 36, das
Frankfurter Batschkapp und zu ihrer besonderen Freude spielte NENA auch in der
Aula ihrer alten Grundschule in Hagen. „Mal sehen, vielleicht schließt sich da
ja ein Kreis für mich, und ich kann endlich mit meiner nicht so gelungenen
Grundschulzeit Frieden machen,“ lachte NENA vor Tourbeginn, wenn sie davon
erzählte. Vor allem ging es ihr aber darum, auf dieser exklusiven Tour durch
kleine Clubs mit ihren Fans auf Tuchfühlung zu gehen, ihnen in die Augen zu
gucken und jede Nacht oldschoolmäßig den Punk abgehen zu lassen. Bei
Club-Kapazitäten von 199 bis höchstens 799 Besuchern war das für Nena-Fans ein
unvergessliches Ereignis.
Wie immer war NENAs
Band mit am Start, die sie liebevoll ihre „zweite Familie“ nennt. - Und die
auch mehr und mehr zu einem wahren Familienunternehmen wird: „Wir sind eine
musikfreudige Bande. Und so ist mit meiner Tochter Larissa und meinem Sohn
Sakias auch mein jüngster Sohn Simeon mit auf die Bühne gekommen und hat
Keyboards gespielt. In unserer Familie hat jeder sein eigenes Universum, aber
wir treffen uns an ganz vielen Stellen, arbeiten zusammen und tauschen uns
aus.“
Ein besonderes Stück ist
deshalb auch „Peter Pan“, das NENA im Duett mit Sakias singt. „Deine Welt ist
bunt genug, dass sie selbst das größte Grau einfärbt. Komm berühr jetzt meinen
wunden Punkt, halt mich fest bis ich auch so werd“ singen die beiden hier mehr
zu- als miteinander. Und wenn Sakias sagt „Besitzt kein Konzept von Vorsicht,
hast nie gelernt wie zögern geht. Neugier sitzt in der Loge, ein Herz das
täglich größer wird,“ dann weiß man nicht, ob er hier tatsächlich Peter Pan
meint, oder nicht doch eher seine Mutter, dieses Zauberwesen, das den Schlüssel
zur Zeit versteckt zu haben scheint.
Aber NENA wäre nicht
NENA, würde sie nicht auch kritische Töne anschlagen, die dazu anregen können,
das eigene Leben zu hinterfragen und in die Eigenverantwortung zu gehen.
„Betonblock“, „Kreis“ und „Mach doch was ich will“ etwa sind Stücke, in denen
sie nicht nur textlich eine härtere Gangart einlegt.
Den größten Einfluss
auf das Album hatte aber sicher Samy Deluxe. Er hat einen Zugang zu NENA,
einen, der vielen von uns sehr vertraut sein dürfte. Es ist der Blick der in
den Siebzigern Geborenen, die als Kind mit dem Federballschläger als Gitarre zu
NENAs Musik auf dem Bett rumsprangen. Oldschool eben.